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Textenetz | Kommentar: In zitternder Kühnheit


Kommentar von Ulrich Karger als Versuch einer Erwiderung auf die Rede von Martin Walser zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels.

Erstveröffentlichung: Textenetz ab 1999 bis 2002 ergänzt

In der Büchernachlese besprochener Titel von Martin Walser:
  • Tod eines Kritikers



  • Prolog:
    Gibt es zwischen Werk und überliefertem Leben eine Wertebeziehung? Ist die Philosophie eines Karl Marx schon deshalb indiskutabel, weil er seine Ehefrau Jenny wie den letzten Dreck behandelt hat? Oder Brechts Werk ohne innere Wahrheit, weil er seine Mitarbeiterinnen offenbar schamlos ausnutzte?
    Eine objektive Antwort darauf kann es m.E. nicht geben, lediglich im Verlauf der Jahre viel Sekundärliteratur zum jeweiligen Stand der Wirkungsgeschichte.
    Martin Walsers Rede anläßlich seiner Entgegennahme des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels habe ich vom Ende her wahrgenommen. In den Fernsehnachrichten hörte ich zuerst von den Echos, einen Tag darauf las ich darüber in meiner Tageszeitung. Da war Interesse geweckt, aber noch längst keines von jener Dringlichkeit, die mich zum Schreiben nachfolgender Zeilen veranlaßt hätte - aber immerhin soviel Neugier entfacht, um Wochen später den Dialog von Ignaz Bubis und Martin Walser im Fernsehen zu verfolgen.
    Kurz vor Mitternacht sollte es die Dokumentation über eine Versöhnung oder zumindest das Ausräumen von Mißverständnissen sein. Zum Ende hin schien der zuvor gewonnene Einklang jedoch wieder vollends zu kippen.
    Bubis sagte zu Walser, daß er, wie Walser, ebenfalls tausend Briefe erhalten hätte, die seinen, den Standpunkt von Bubis teilen würden. Darauf Walser, mehrmals: "Das glaube ich nicht!" und dies unterstrichen von den Signalen einer Körpersprache, die mir Gänsehäute bereitete. Egal, mit welchen Attributen ich diese Körpersprache ausmale - vielleicht: elfenbeinern und süffisant und borniert und arrogant und ignorant - sie beschrieben lediglich die Wirkung auf mich, ohne daß ich ernsthaft diese Wirkung zum objektiven Maßstab erheben könnte oder auch nur wollte.
    Allein die Aussage "Das glaube ich nicht!" ist in diesem Fall von erschütternder Klarheit. Walser hätte genauso gut sagen können, Bubis lügt. Ein milderes, lediglich ignorantes "Das kann ich mir nicht vorstellen!" war und ist hier nicht herauszuhören.
    Hier Ignaz Bubis, dessen Familie erwiesenermaßen zu den Millionen von sprachlos machenden Greuelopfern zählte, dort Martin Walser, der sich darüber beschwert, daß er heutzutage angeblich nicht so reden und denken kann, wie er will.

    Die Rede:
    Daß der Ton die Musik macht, mußte seinerzeit Phillip Jenninger am eigenen Leib erfahren. Seine Rede im Bundestag von einem anderen vorgetragen, hätte eine gänzlich andere Wirkung gehabt. Jenninger mußte nach seiner Rede als Bundesratspräsident zurücktreten.
    Walsers Rede habe ich nun in Buchform nachgelesen. (Dankenswerterweise in einem Freiexemplar für Rezensenten, denn 10,- DM für knapp 20 Seiten, erweitert um die wiederum 20 Seiten umfassende Laudatio Frank Schirrmachers lassen sich wirklich nur mit dem marktwirtschaftlichen Gesetz von Angebot und Nachfrage begründen.)
    Er beginnt kokett. Dem Wortungetüm "Freundlichkeitsfähigkeit" stellt er die Erwartung der Gratulierenden gegenüber, doch eine kritische Rede zu halten, gerade polemisch genug, daß die Medien noch "für zweieinhalb Tage den Nachhall" pflegen - da kam sich "der Ausgesuchte" eingeengt vor, denn gemäß seiner ersten Empfindung wollte er eigentlich fünfundzwanzig Minuten lang nur "Schönes, das heißt Wohltuendes, Belebendes, Friedenspreismäßiges" sagen. Aber: Selbst wenn er das der Sprache "abtrotzen oder aus ihr herauszärteln" könnte, nach so einer Rede wäre er "erledigt". Da würde es auch nichts nützen, wenn er eine solche Rede mit "Geständnissen" rechtfertigte, wie: "Ich verschließe mich den Übeln, an deren Behebung ich nicht mitwirken kann" oder "In einer Welt, in der alles gesühnt werden müßte, könnte ich nicht leben".
    Hier würde ich bereits trotz der geschickten Verzwirbelung eines "Ich sag ja nichts, ich mein ja nur" entgegnen: Herr Walser, Sie leben in einer Welt, in der früher oder später alles gesühnt wird - wenn nicht von Ihnen, dann von den Nachgeborenen.
    "Ganz und gar unangenehm" ist es Walser dann, wenn die Zeitung meldet, daß Rainer Rupp, ein "idealistisch-sozialistischer Weltverbesserer" nach der Wende als Spion zu einer hohen Haftstrafe verurteilt wurde. Bei der Ungleichbehandlung von Ost- und Westspionen, diene seine Haft weder der Resozialisierung noch der Abschreckung, sondern nur der Sühne.
    Hier ist mir Walsers Wortgebrauch nicht verständlich, denn Sühne steht für Strafe, Buße, Wiedergutmachung, Genugtuung. Im theologischen Gebrauch meint das weniger die Strafe, die einem von außen auferlegt wird, sondern sich aus innerer Notwendigkeit ergibt. Dem Duktus seiner Rede nach, meint Walser hier aber eigentlich Rache, die einem von anderen droht. Das würde dann allerdings auch den Unsinn von der Welt, in der er nicht leben möchte, erklären.
    Walser spricht das Thema an, auch wenn es "vorhersehbar wirkungslos" sei, denn: "In deinem sonstigen Schreiben würdest du dich nicht mehr mit einem solchen Fall beschäftigen, so peinlich es dir auch ist, wenn du daran denkst, daß dieser grundidealistische Mensch sitzt und sitzt und sitzt." - Das ist ehrlich, vielleicht sogar mehr als das, nämlich wiederum kokett. Vielleicht unterstützt Walser ja insgeheim doch mehr Leute, als er davon laut werden läßt. Andere taten und tun es jedenfalls in steter Dauerhaftigkeit, ohne daß es ihrer Kunst geschadet hätte.
    Walser findet die Formel "leer, pompös, komisch", wonach "eine bestimmte Art der Geistestätigkeit die damit Beschäftigten zu Hütern oder Treuhändern des Gewissens" mache. Wenn ich auch seiner Feststellung beipflichte, daß Gewissen nicht delegierbar ist, stößt gleich darauf eine eigentümliche Argumentationsreihe zu den "Bedingungen" von "moralisch-politischen Auftritten" auf: "Nämlich: etwas, was man einem anderen sagt, mindestens genauso zu sich selber sagen. Den Anschein vermeiden, man wisse etwas besser. Oder gar, man sei besser. Stilistisch nicht ganz einfach: kritisch werden und doch glaubwürdig ausdrücken, daß du nicht glaubst, etwas besser zu wissen. Noch schwieriger dürfte es sein, dich in Gewissensfragen einzumischen und doch den Anschein zu vermeiden, du seist oder hieltest dich für besser als die, die du kritisierst."
    Ist das Absicht? Walser dreht hier Bedeutungszusammenhänge einmal mehr ins schillernd Ungenaue. Jene Formel ist gewiß "leer, pompös, komisch", wenn sie platterdings von einem delegierbaren Gewissen ausginge. Diese Plattheit ginge einher mit der Vorstellung eines nur im Seichten fischenden Gegenübers, das nicht von der Unvollkommenheit aller Menschen wüßte. Tatsächlich aber wissen manche zu bestimmten Problemstellungen mehr als andere, und für dieses Wissen tragen sie Verantwortung. Und wer mit Worten zu verführen vermag, muß sich auch dieser Verantwortung bewußt sein. Fehler zu machen, übers Ziel hinauszuschießen ist stets verzeihlich, wenn sie - einmal erkannt - gesühnt bzw. bereut bzw. wiedergutgemacht werden. Oft reicht sogar eine ehrlich gemeinte Entschuldigung... Und natürlich verlange ich von einem der Wasser predigt, daß er nicht insgeheim auf Kosten der Angepredigten Sekt trinkt. Und dazwischen ist die Grauzone, die jedem zusteht, die dann aber dennoch jeder vor sich und seinem Gewissen verantworten muß.
    Nun ein Absatz über die Aussagen von einem Denker und einem Dichter. Beide in ihrem Fach angeblich Größen und von daher angeblich auch Gewissensgrößen. Offenbar jedoch nicht groß genug, um mit Namen genannt zu werden. Wollte Walser hier nicht denunzieren? Oder war er einfach zu feig, sich einer offenen Auseinandersetzung zu stellen? Er gibt immerhin zu, daß seine Wahrnehmung eingeschränkt ist - von deren Beobachtung einer übergreifend "moralisch-politischen" Verwahrlosung hätte er jedenfalls nichts wahrgenommen, beschuldigt aber die "Größen" mit dem perfiden Satz: "Und wenn eine Beschuldigung weit genug geht, ist sie an sich schon schlagend, ein Beweis erübrigt sich da."
    Daran anschließend eröffnet Walser einen Blick in seine Rezeptionsfähigkeit, der einen Schaudern läßt. Er kann zwar Aussagen wie "Würstchenbuden vor brennenden Asylantenheimen und symbolische Politik für dumpfe Gemüter" nicht bestreiten, aber er kann sie auch nicht glauben, das ginge über seine moralisch-politische Phantasie hinaus. Kurz gesagt: Was nicht sein darf, kann auch nicht sein. Und dann seine Ahnung: "Die, die mit solchen Sätzen auftreten, wollen uns weh tun, weil sie finden, wir haben das verdient."
    Ist das nun der beschränkte Blick vom Bodensee herauf? Oder neurotisch? Oder schlicht blöde? Oder berechnend?
    Dann der fulminante Abschluß dieses Absatzes: "In keiner anderen Sprache könnte im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts so von einem Volk, von einer Bevölkerung, einer Gesellschaft gesprochen werden. Das kann man nur von Deutschen sagen. Allenfalls noch, soweit ich sehe, von Österreichern."
    Das innewohnende hybride Kompliment dieser Aussage geht Walser offensichtlich gar nicht auf. Denn auch in anderen Ländern gibt es sensible Kritiker gegen faschistoide Tendenzen im jeweils eigenen Land. Und die, die Walsers beschränkte Weltsicht teilen, sind lange Zeit in nahezu jedem Land durchaus in der lautstarken Mehrheit gewesen.
    Dann der oft zitierte Absatz über Auschwitz. Den sollte jeder selber komplett nachlesen. Hier nur soviel:
    Jeder, also auch Walser, kennt "unsere geschichtliche Last, die unvergängliche Schande" aber er versteht nicht, "warum in diesem Jahrzehnt die Vergangenheit präsentiert wird, wie nie zuvor." Wer im "grausamen Erinnerungsdienst" arbeitet, meine wohl für "einen Augenblick näher bei den Opfern als bei den Tätern" zu stehen. Selbst wenn diese Unterstellung bei manchem zuträfe, unterlägen diese nur einem läßlichen Irrtum, der ihnen wiederum entsprechend scharf von den Betroffenen um die Ohren geschlagen würde. Sie ständen aber im Gegensatz zu Walser in einer direkten Auseinandersetzung. In dieser Form in diese Rede eingeflochten, dabei wirklich nur sich und seine Befindlichkeit meinend, scheint es ihm am Ende nur um die Kritik an einem Buch von ihm zu gehen, die ihm als schweres Versagen das Fehlen von Auschwitz vorhielt. Dazu der konsequente Abschluß: "Nie etwas gehört vom Urgesetz des Erzählens: der Perspektivität. Aber selbst wenn, Zeitgeist geht vor Ästhetik."
    Da ich das kritisierte Buch nicht kenne, jedoch den vorangegangenen Redeabschnitt, höre ich hier nur ein "Form vor Inhalt". Das ist Geschmackssache, würde aber auch Walser nicht aus der Verantwortung seiner Wirkung entlassen.
    Einer "Rüge des eigenen Gewissensmangels" vorauseilend, fragt Walser, warum in Goethes "Wilhelm Meister" von 1795 nicht die Guillotine vorkommt. Und 1977 habe er in einer Rede, die er halten mußte(?), gesagt: "Wir dürften, sage ich vor Kühnheit zitternd, die BRD so wenig anerkennen wie die DDR. Wir müssen die Wunde namens Deutschland offenhalten." Und wieder "zittert er vor Kühnheit" wenn er jetzt sagt: "Auschwitz eigne sich nicht für Drohroutinen".
    Immer deutlicher erweist sich der Geehrte als undeutlicher Schwafler.
    Sind also die Opfer der Französischen Revolution vergleichbar mit den Opfern des III. Reichs? Nolte läßt grüßen, nach dem Motto: Die Amerikaner haben ja auch die Indianer abgeschlachtet. Und wen eigentlich beschmutzt Walser mit dem Begriff Drohroutine, die angeblich jederzeit als Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung diene? Und stellt er sich hier etwa vor eine Gemeinschaft, die geschützt werden müßte? Bisher, und ich glaube, nach wie vor spricht Walser nur von Walser - doch Walser eingeschüchtert, von der Moralkeule geschlagen, ist nach solchen Worten kaum vorstellbar.
    Und wenn einer angesichts solcher Aussagen, egal ob in der früheren BRD oder im jetzt vereinigten Deutschland, vor "Kühnheit" zu "zittern" meinen muß, macht sich schlicht lächerlich!
    Über das Holocaustdenkmal in Berlin gibt es viel zu sagen, auch manches an Provinzialität zu beklagen, dennoch hat sich Walser mit seiner Vorrede längst disqualifiziert, hier eine "Banalität des Guten" zu vermuten, und sich dabei auf einen vorgeblichen "negativen Nationalismus" herauszureden.
    Zitate von Heidegger und Hegel gerinnen bei Walser zu einem "weniger genau gesagt: Gutes Gewissen, das ist so wahrnehmbar wie fehlendes Kopfweh."
    Oder noch harscher im nächsten Absatz: "Ein gutes Gewissen ist keins."

    Hier scheint mir ein längerer Einschub notwendig. Walser fehlt offenkundig ein Denkspektrum. Das religöse Fragen nach dem Lebenssinn für den Einzelnen an sich und dem Einzelnen in der Gemeinschaft ist ihm scheinbar völlig entgangen. Er wüßte dann von der Kraft und Notwendigkeit von Ritualen in der Gemeinschaft, gerade um mit sprachlos machenden Ereignissen umgehen zu können. Warum z.B. gedenken die Israelis noch heute der Shoa, halten dabei landesweit den Autoverkehr an? Der Einzelne in solch einer Ritualgemeinschaft bleibt stets ein Einzelner, aber ein Einzelner, der sich seiner ihn umgebenden Gemeinschaft bewußt ist und sich ihr gegenüber verantwortlich weiß und dafür wiederum von der Gemeinschaft getragen wird.
    Seiner sich auf Hegel und Heidegger berufenden These wage ich deshalb mit zitternder Kühnheit zu entgegnen, daß ein gutes Gewissen sehr wohl spürbar ist, nämlich als ein Zufriedensein. Mit sich und der Welt zufrieden zu sein, ist gewiß kein Dauerzustand, aber eben jener, den es immer wieder anzustreben gilt. Als paradoxe Negation ist hierbei die ausschließliche Selbstzufriedenheit zu nennen, die meist einhergeht mit Selbstgerechtigkeit. Schon seltsam, daß Walser seine Rede anläßlich des Friedenspreises nicht auf diesen Begriff zu bringen vermag.
    Da hilft es Walser auch nicht, wenn er in einem abenteuerlichen "Namedropping" fragt, ob früher die Öffentlichkeit ohne Dichter und Denker als "Gewissenswarte" ärmer und gewissenverrohter gewesen wäre. Seine Beispiele sind dabei selektiv und halten nicht lange Bestand. Erstens war Schiller mit seinem Wilhelm Tell durchaus ein "Gewissenswart" und zweitens w a r die deutsche Öffentlichkeit seinerzeit ärmer und gewissensverrohter, nicht zuletzt weil sie unter den Bedingungen des Feudalismus lebte.
    Später behauptet Walser gar, Schriftsteller seien heutzutage derart in den Meinungsdienst genötigt, daß sie nicht mehr gelesen werden müssen, sondern nur noch interviewt. Womöglich gab es in den 60ern und ausgehenden 70ern derartige Phänomene zu beobachten, aber gerade heute gilt doch der "Gutmensch" als ungenießbar und wird von den Medien eher gemieden.
    Am Ende erzählt Walser aus seiner Werkstatt, wo er u.a. wiederum "furcht- und bedachtsam sprachliche Verbergungsroutinen jeder Art" mobilisiert.
    Bei seiner Rede bestenfalls zur Vollendung gelangt, hätte man sich diese Routinen, kaum gelesen, am liebsten schon gleich wieder erspart.

    P.S. vom 28.03.02
    Nach einer TV-Sendung, die des 75-jährigen Martin Walsers vermutlich letzte Lesetournee durch Deutschland dokumentierte, zitiert er in einer Szene immer wieder alte Texte, die wiederum den eigentlichen Sinn seiner Worte zur Preisrede als doch überhaupt nicht missverständlich untermauern sollen. In der Tat belegen diese Zitate ein seinerseits keineswegs verharmlosendes Auschwitz - nur warum zitierte er das nicht in seiner Rede? Ist er tatsächlich so hybrid anzunehmen, man hätte jederzeit sein Gesamtwerk vor Augen, wenn er sich zu einem aktuellen Thema äußert? Und selbst wenn: Martin Walser hat offenkundig Wandlungen durchgemacht, wie sich im Laufe seiner Vita an den verschiedenen von ihm unterstützten Parteien und vorgetragenen Positionen ablesen lässt. Warum dann in einer Rede(!) missverständlich manirierte Koketterie anstatt Klartext?
    Unfähigkeit?
    Nein, nein, wenn Martin Walser gewollt hätte, wäre ihm auch eine Klartext-Rede gelungen - sich aber auf Teufel komm raus, notfalls auch über Auschwitz einfach nur der PR wegen mit bewußt notierten Verschwiemeleien in Szene zu setzen, wäre womöglich sogar die Steigerung einer Gewissensbelastung, als die ihm nach der Rede unterstellte Geschichtsklitterei - die "Luderei" manch kleiner PR-süchtigen Mädchen weit übertreffend. Selbst mit dem antiquiert ehrwürdigen Gehabe eines Großschriftstellers hätte es jedenfalls nichts zu tun. Aber das müsste er dann mit sich selber ausmachen ...

    P.S. vom 07.06.02
    Jetzt bekräftigen seriöse Kollegen, dass Walser kein Antisemit ist, sondern lediglich ein "beleidigter" Autor, der "Mist" in Form eines "unreifen Buches voller Klischees" geschrieben hat (siehe den trefflichen VORSCHLAG ZUR GÜTE von Caroline Fetcher im heutigen TAGESSPIEGEL auf Seite 26).
    Demgegenüber stehen die von Marcel Reich-Ranicki in ruhigem Ton sehr glaubhaft vorgebrachten Äußerungen zu seiner Betroffenheit und Verletztheit in dessen letzten "Solo"-Sendung.
    Jetzt muss ich das Buch doch noch lesen ...

    P.S. vom 09.07.02
    Das Buch gelesen. Vorsatz: Keine Spekulationen mehr über Martin Walser!
    Der Autor wird mir immer rätselhafter, nicht unbedingt sympathischer, aber in seiner Virtuosität bewundernswert - ob er sich selber liest und schon verstanden hat?
    Ein Robert Gernhardt immerhin hat erlebt, wie der Dichter klüger als der ihn umgebende Mensch sein kann ...
    (Rezension zu
    Tod eines Kritikers)

    Ulrich Karger




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